Sigrid Hess

Leben und leben lassen – das Riemann-Thomann Modell

22. Dezember 2014

Zu Weihnachten streben alle nach Harmonie und im Neuen Jahr wollen wir auch besser miteinander umgehen. Um zu verstehen, wie ich selbst und meine Teamkollegen ticken, und warum wir es manchmal schwer miteinander haben, finde ich das Riemann-Thomann-Modell /1/ sehr gut. Kennengelernt habe ich es in einer Sharing-Team-Situation /2/. Eine Teilnehmerin zeigte damit, dass das Anliegen an einer ganz unvermuteten Stelle zu lösen ist.

Das Anliegen war: „Mein Teamkollege ist ziemlich chaotisch. Ich habe schon verschiedene Ordnungssysteme eingeführt. Er fand das auch immer ganz toll und hat mitgemacht – zwei Wochen lang. Dann kam derselbe Schlendrian wieder zu Tage. Wir leiden beide darunter.“

Nun – mit einem weiteren Ordnungssystem war hier nicht zu helfen. Eine Teilnehmerin des Sharing-Teams stellte uns das Riemann-Thomann-Modell vor (siehe Abb. 1). Dass Menschen verschieden sind, ist ja nichts Neues, aber dieses Modell macht die Sache auch für technisch denkende Menschen greifbar.

Abb. 1: Das Riemann-Thomann-Modell

Das Achsenkreuz hat eine senkrechte Zeitachse und eine waagerechte Raumachse. Die Eckpunkte sind Nähe-Distanz sowie Dauer –Wechsel. Wer in der oberen Hälfte des Achsenkreuzes beheimatet ist, schätzt eine gewisse Ruhe im Leben, bleibt einem einmal eingeführten System treu und hat feste Gewohnheiten. Ordnung zu halten ist ganz selbstverständlich. Wie soll man denn sonst arbeiten? Auf der anderen Seite sind die Menschen, die sich beim besten Willen nicht vorstellen können, ein Leben lang denselben Beruf auszuüben oder – bewahre! – beim selben Arbeitgeber zu arbeiten. Sie fühlen sich erst lebendig, wenn sich Situationen ändern und es Neues zu entdecken gibt.

Die Beziehung zu den Mitmenschen zeigt sich an der waagerechten Achse. Nähe-geprägte Menschen blühen auf, wenn Sie sich menschlich sehr geborgen fühlen. Herzhafte Umarmungen im Kollegenkreis – sehr gerne. Keine E-Mail kommt ohne Smiley aus, wenn es das System hergibt, darf der auch hopsen. Beides finden Distanz-Typen eher befremdlich. Das gehört ihrer Meinung nach nicht an den Arbeitsplatz.

Natürlich ist praktisch niemand ganz das Eine oder das Andere. Jeder hat alle Anteile in unterschiedlicher Gewichtung in sich. Schwierig wird es vor allem dann, wenn zwei Menschen zusammen arbeiten, die sich an diagonal entgegengesetzten Enden der Matrix befinden. Dann ist es sehr wichtig, die Unterschiedlichkeit zu akzeptieren und Aufgaben so aufzuteilen, dass die Stärken des Einzelnen zur Geltung kommen und die Reibungspunkte möglichst gering ausfallen.

Oben habe ich in grün und orange unsere beiden Protagonisten aus dem Beispiel in Szene gesetzt. Sie haben einen guten Draht zueinander, weil sie sich auf der Nähe-Achse begegnen. Das Ergebnis war, dass das System sehr einfach und intuitiv sein muss, lieber schlicht und bunt, statt perfekt ausgeklügelt.

Der Teamwork-Blog-Gruß zu Weihnachten lautet: Seid freundlich zu Euch selbst und zu Euren Kollegen. Jeder in seiner Person ist anders als der Andere, und das ist sehr, sehr gut so.

Anmerkungen:
/1/ Wikipedia, Stichwort „Riemann-Thomann-Modell“, Version vom 11. Nov. 2014, abrufbar unter http://de.wikipedia.org/wiki/Riemann-Thomann-Modell
/2/ Sigrid Hess: Das Sharing-Team, Teamworkblog, erschienen am 06. Oktober 2014, abrufbar unter https://www.teamworkblog.de/2014/10/das-sharing-team.html

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Das Sharing-Team

6. Oktober 2014

Gerade komme ich aus meinem ersten Coaching-Seminar nach Hause. Dabei habe ich eine sehr gute Methode kennengelernt, mit der in einer Gruppe eine Lösung für das Anliegen einer Person gefunden werden kann. Ich habe es als bereichernd und wirkungsvoll erlebt.

Das Setting:

Eine Gruppe von 5 – 12 Menschen ist beisammen. Es geht um die Lösung eines Problems, das eine der Personen betrifft. Die anderen Personen sind persönlich nicht betroffen. Man sitzt im Kreis mit oder ohne Tisch. Zunächst wird eine Gesprächsleitung bestimmt, die die Rahmenvorgaben im Auge behält.

Das Thema:

Die betroffene Person schildert in ca. 5 min. ihr Anliegen. Gerne inklusive der damit verbundenen Emotionen. In unserem Fall ging es um das Führen eines Projektteams zur Zielvereinbarung, die von höherer Stelle vorgegeben war und sehr „sportlich“ in den Ansprüchen.

Die Klärungsfragen:

Die Zuhörer haben nun ca. 5 – 10 Minuten Zeit, sachliche Klärungsfragen an den Themengeber zu stellen. Es geht lediglich um das genaue Verständnis des Anliegens. Die Zuhörer sprechen nicht miteinander, es findet keine Diskussion statt, und keinesfalls werden schon Lösungsvorschläge gemacht. Es ist nur ein Frage-Antwort-Pingpong zwischen Themengeber und Zuhörern. Es geht darum, das Anliegen wirklich zu begreifen.

Die Sharing-Runde:

Hierfür sind 20 – 30 min. Zeit, der Themengeber ist ganz „aus dem Spiel“. Gerne kann er sich auch physisch aus dem Kreis zurückziehen und in einem zurückgesetzten Stuhl Platz nehmen (Sehr bequem, mit Getränk – auch Liegestuhl und Sonnenbrille ist denkbar …).

Die Teilnehmenden ergreifen nun reihum das Wort. Jede und Jeder erzählt, was das Thema bei ihr oder ihm ausgelöst hat, wo Ähnliches oder Gegenteiliges geschehen ist und auch welche Emotionen das Berichtete auslöst. Wichtig sind dabei die Wertungsfreiheit und der Bezug zur eigenen Person. (Falsch: „Dieser Mitarbeiter ist aber auch wirklich nicht tragbar!“ Besser: „In meinem Projekt hatte ich einen Mitarbeiter, der ganz ähnlich drauf war. Ich musste mich oft sehr beherrschen höflich zu bleiben.“). Dabei wird der Themengeber nicht direkt angesprochen, und es findet unter keinen Umständen eine Diskussion oder eine Lösungsfindung zum heute gehörten Fall statt. Die Leitung achtet sorgfältig darauf. Erstaunlicherweise hatten in meinem Erleben gerade Menschen, die mit dem Satz begannen „So kenne ich das gar nicht, aber …“ sehr wertvolle Beiträge zu leisten.

Bericht des Themengebers:

Nach dieser Runde kommt der Themengeber wieder in den Kreis und reflektiert ca. 5 – 10 min. lang das Gehörte. Dabei muss keineswegs jeder Beitrag kommentiert werden! Es geht nur darum, was wurde gehört, was kann man daraus mitnehmen. Jetzt kann der Themengeber aus dem Gehörten Lösungswege finden. Er kann das berichten, muss aber nicht. Alle anderen hören zu! Der Themengeber wird nicht unterbrochen.

Mein Nutzen:

Sowohl das „Sharen“ wie auch die Verbindungen, die sich daraus für den Themengeber entwickelt haben, waren für alle Teilnehmenden hoch interessant. Ich selbst werde diese Methode in längere Seminare einbauen, wenn ein Gruppenmitglied ein Anliegen hat, bei dem ich gerne das Wissen der Gruppe nutzen möchte, ohne dass eine Person die Rolle des „Lehrenden“ einnimmt.

Ihr Nutzen:

Wie eingangs gesagt, das ist nichts für Teamkollegen zu einem Thema, das alle betrifft. Aber vielleicht gibt es ein Thema eines Teammitglieds mit einem Lieferanten? Oder zu anderen Bereichen außerhalb des Teams? Dann könnte der Teamleiter mit dieser Methode die Erfahrungen und das Wissen der Kollegen nutzen, ohne direkte Handlungsanweisungen zu geben.
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